Verbinden ist ein Symbol für Heilen von Wunden
„Ich möchte Besucher dazu bewegen, sich mit roten Verbandsbinden einwickeln zu lassen. Die Farbe Rot steht für Blut, aber auch für Leben. Rot erhöht unsere seelische Kraft und übt einen starken Einfluss auf das vegetative Nervensystem aus. Gleichzeitig erleben wir das Verbinden als ein Zeichen für Heilen von Wunden, auch von seelischen. Wir werden sehen, was sich spontan entwickelt (Beirle, 2019)“Beim Beobachten der Prozesse des Einwickelns fällt uns als Betrachter*innen auf, wie unterschiedlich die „behandelten“ Personen mit der ihnen geschenkten Aufmerksamkeit und der auf sie gerichteten Aktivität umgehen. Wir unterscheiden ihre Haltung, ihre Mimik, Blicke, kleine Gesten. Für die Künstlerin stellt das Einwickeln gleichermaßen ein Verbinden, und damit ein Symbol für die Möglichkeit des Heilens körperlicher und seelischer Wunden dar. Mittels der Verbände lässt sie eine umgebende äußere Hülle wie eine „zweite Haut“ entstehen, sodass sich ein Zwischenraum zwischen der inneren und der neuen, äußeren Haut ergibt. Dieser Raum soll schließen und nach Innen schützen, gleichzeitig aber öffnen und nach Außen ermöglichen.Ich möchte diesen Gedanken mit ein paar Worten über das Konzept des Haut-Ichs (Anzieu, 1985) weiterspinnen, das wir als eine narzisstische Hülle verstehen können, die uns umgibt, uns enthält und schützt. Dabei entsteht ein innerer Raum, in dem wir uns ungestört – ohne Bedrängnis und Überwältigung durch äußere Reize – entwickeln können. So wird es uns möglich, zu entscheiden, ob wir Botschaften von außen als hilfreich und nährend aufnehmen, oder sie als überschwemmend oder destruktiv abweisen wollen. Gleichzeitig können wir in diesem Raum unsere Zustände und Bedürfnisse erfassen, entziffern, differenzieren und formulieren, um sie zu kommunizieren, zurückzuhalten oder zu verwerfen. Die Möglichkeit, uns in einer solchen Weise selbst zu regulieren, können wir auch als eine Möglichkeit verstehen, geschützt innerhalb dieser Hülle einen Heilungsprozess zu durchlaufen.Legt sich die Hülle zu eng um das Ich, so fehlt der Raum, um sich zum Ausdruck zu bringen, bleibt sie zu locker, so kann sie den nötigen Schutz und Halt nicht bieten.Die Künstlerin spinnt mit ihren Verbänden – kompensatorisch – diese zweite Haut, wie um neuerlich einen Raum zu schaffen, in dem Rückzug, Kontemplation, aber auch Kommunikation sein darf und Heilung möglich wird. Die Farbe Rot lässt dabei an das sauerstoffreiche Blut denken, das Nahrung in alle Bereiche des Seins bringt.
Yvonne Cermak, MA, Psychoanalytikerin, Wien